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Vertauen - Warum das ein rares Gut geworden ist

In Zeiten wie diesen ist Vertrauen ein rares Gut geworden. Freundschaften zerbrechen, Familien werden gespalten, Menschen die sich vor einem Jahr noch vertrauten misstrauen sich heute. Was ist passiert? Ich habe mich mit dem Wort "Vertrauen" intensiver auseinander gesetzt. Hier meine Gedanken dazu.



Was ist Vertrauen?

Vertrauen könnte so definiert werden:

Vorbehaltloser Glaube oder subjektive Überzeugung, dass man sich auf jemanden (auch auf sich selbst) oder auf etwas in hohem Masse verlassen kann.


Wortherkunft

Das Wort Vertrauen stammt vermutlich aus der gotischen Sprache (300-700) und dem althochdeutschen (ca. um 800). Die ersten Wörter die ich dazu gefunden habe sind: trüĕn/git trüwĕn, firtüen oder auch firtü(w)en. Die ursprüngliche Meinung des Wortes war: zutrauen, hoffen, glauben Zuversicht haben, sich selber treu sein. Im Gotischen hiess das Wort "trauan". Die Kirche hat dies übernommen. Seit dem 13. Jahrhundert steht traun für die eheliche Verbindung von zwei Menschen.


Aus dem Wort "trauan" lässt sich mit etwas Fantasie die englische Version "trust" ableiten. Aber auch im deutschen kommen mir dazu Wörter in den Sinn wie zum Beispiel treu oder ganz simpel "sich etwas trauen, Mut haben".


Das Wort vertrauen verwenden wir auch in Wortbildungen wie vertrauensvoll, vertrauenerweckend, vertraut, anvertrauen, Vertrauensvorschuss, vertraulich.

Welche Worte in Zusammenhang mit Vertrauen kommen dir in den Sinn?


Spannend ist, dass es keine Mehrzahl des Wortes Vertrauen gibt. Es scheint also etwas singuläres zu sein, etwas exklusives, einmaliges? Ich kann zwar in mehrere Personen oder Organisationen vertrauen haben. Sehr schön aufzeigen lässt sich das anhand eines Cloud-Services den ich benutze. Ich vertraue z.B. darauf, dass mein E-Mail Anbieter seine Hausaufgaben gemacht hat und meine Mailbox vor unbefugtem Zugriff und Hackern schützt. Wissen tue ich es aber nicht. Es ist also tatsächlich so, dass ich meine Zuversicht auf das Unternehmen und die Menschen dahinter richte. Doch dazu später mehr.


Interessant ist auch über die Zusammenhänge des lateinischen Wortes für Vertrauen nachzudenken: Fides. Wir finden es in den lateinischen Sprachen auch heute noch. Fanzösisch: faire confiance à...; Italienisch: fidarsi / confidare.


Fides kann übersetzt werden mit Treue, Glaubwürdigkeit oder eben Vertrauen.

Und wie ist das mit dem Wort per-fide ? Wir verstehen darunter wortbrüchig, treulos, unredlich, falsch und vor allem hinterlistig.


Wenn wir also das Vertrauen verlieren, war dann mein Gegenüber wortbrüchig, treulos, oder unredlich? Mag sein, aber das greift aus meiner Sicht zu kurz. Die Frage ist vielmehr, wann vertrauen ich und warum, und wie verliere ich das Vertrauen?


Warum vertraut ein Mensch?

Vertrauen ist die subjektive Überzeugung von der Richtigkeit, Wahrheit, Redlichkeit von Personen, von Handlungen, von Einsichten, von Aussagen eines anderen. Es hat also damit zu tun, dass ich auf etwas baue, was unsicher ist. Ich gebe einen Vertrauensvorschuss. Ich weiss zu der Zeit nicht, wie der andere Mensch damit umgeht. Mit diesem Verhalten mache ich mich verletzlich.


Das heisst im Umkehrschluss, dass Vertrauen nur in unsicheren Situationen entstehen kann. Denn wer sich einer Sache ganz sicher ist, muss nicht vertrauen. Und wer von einer Sache gar nichts weiss kann nicht vertrauen. Es scheint also eine gewisse Unsicherheit notwendig zu sein, damit Vertrauen entstehen kann.


Wilhelm Busch, der Grossmeister des deutschen Gedichts hat es sehr treffend formuliert in seinem Gedicht die Nachbarskinder:


Wer andern gar zu wenig traut, Hat Angst an allen Ecken; Wer gar zu viel auf andre baut, Erwacht mit Schrecken. Es trennt sie nur ein leichter Zaun, Die beiden Sorgengründer; Zu wenig und zu viel Vertraun Sind Nachbarskinder.


Nimm dir ein paar Minuten Zeit und reflektiere:

  • In welchen Situationen im Leben vertraust du?

  • Was ist die Unsicherheit, welche dich dazu bringt, zu vertrauen?

  • Wann vertraust du nicht?

  • Was kannst du verlieren, wenn das Vertrauen missbraucht wird?


Gerade die letzte Frage ist spannend. Stell dir folgende Situation vor: Ein Kind steht auf einer Mauer und schaut nach unten. Die Mauer ist zu hoch um alleine runter zu springen, Unten steht der Vater mit offenen Armen um das Kind aufzufangen. Das Kind ist in einer unsicheren Situation. Es weiss nicht, wie es alleine von der Mauer runter kommt.


Es sieht die Lösung, indem es sich den offenen Armen des Vaters anvertraut. Es vertraut in dieser Situation darauf, dass der Vater es sicher auffängt. Und wenn nicht, was ist der Verlust? Ein Sturz? Das Kind riskiert also, mehr zu verlieren als es gewinnen kann. Es riskiert einen Schaden bzw. eine Verletzung für seinen Mut zu springen.


Und wie ist die Sicht des Vaters? Der Vater vertraut auf seine Fähigkeiten, das Kind sicher aufzufangen und es schadlos zu halten. Und wenn nicht, was ist der Verlust? Ein verletzter Mensch? Der Vater hätte ein schlechtes Gewissen, weil er dem Kind schaden zugefügt hat.


Dieses Beispiel zeigt auch sehr schön: Vertrauen kann man nur schenken. Der Vater kann lange unten stehen und dem Kind sagen vertrau mir. Solange das Gefühl nicht stimmig ist, wird das Kind nicht springen. Es ist ein Geschenk an den anderen, weil:


Vertrauen ist der Wille, sich verletzlich zu zeigen.


Die eigene Verletzlichkeit geht unzertrennbar einher mit Vertrauen. Das ist auch der Grund, warum ein Vertrauensbruch so schmerzhalft ist. Wir haben riskiert, uns geöffnet, verletzlich gezeigt und wurden verletzt. Die Verletzung kann nachhaltig sein und tief sitzen. Menschen entscheiden sich dann innerlich, nie mehr so verletzt zu werden. Diese innere Haltung ist ein Grund für viele Probleme in unserem Alltag. Wir verlieren sozusagen das Vertrauen in das Vertrauen und begeben uns in eine Abwärtsspirale.


Der Mensch versucht Schmerzen zu verhindern. Lustgewinn und Schmerzverhinderung ist eines der vier Grundbedürfnisse eines jeden Menschen. Mit der Vermeidungsstrategie schränken wir uns aber auch sehr ein. Ein Leben ohne Schmerz ist auch ein Leben ohne Freude. Wir gehen dann kontrolliert durch das Leben und müssen immer aufpassen, dass uns niemand verletzt. Ein kontrollierter Mensch kann demzufolge nicht mehr vertrauen. Das führt zu einem sehr anstrengenden, schweren Leben.


Die Negativspirale trifft nicht nur das Grundbedürfnis der Schmerzverminderung. Auch andere Bereiche sind betroffen. Das Bedürfnis nach Handlungsoptionen und Kontrolle wird durch ein Leben im Rückzug ebenfalls tangiert. Wenn ich aus Angst verletzt zu werden mich so kontrolliert verhalten muss, dass ich keine Optionen mehr habe, dann fühlt sich das an wie im Gefängnis. Ich habe in mir das Bild einer Maus in der Ecke und vor ihr steht die Katze mit ausgefahrenen Krallen. Das macht zusätzlich eng.


Dazu kommt, dass ich mit jedem Rückzug die Bindung zur Gemeinschaft verliere. Ein Mitarbeiter der sich zurückzieht wird nicht mehr am gesellschaftlichen Leben in der Firma teilnehmen und damit sich auch nicht zugehörig fühlen. Das alles senkt den Selbstwert des Menschen und die die Spirale dreht sich weiter nach unten.



Polarität

Freude und Schmerz sind Poole die sich gegenseitig bedingen. Ohne das eine existiert auch das andere nicht. Zu dieser Aussage möchte ich einige Grundlagen mitgeben, um das Bewusstsein zu Kreisläufen im Leben zu schärfen.


In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu verstehen, dass wir in einer Welt der Polarität leben. Es ist eines der wichtigsten Naturgesetze, wenn nicht die Basis für alles in unserer Welt.


Es gibt zu allem in dieser Welt einen Gegenpol. Wir wüssten sonst nicht wie sich kalt anfühlt, wenn es nicht auch heiss gäbe. Wir wüssten nicht was die Nacht ist, wenn es nicht auch den Tag gäbe usw. Sind die beiden Poole in Harmonie, also ausgeglichen, so wird sich auch Harmonie in unserem Leben einstellen können. Ungleichgewicht und Disharmonie der Poole sind also oft die Basis für unser Leiden.

Yin-Yang-Symbol
Yin-Yang-Symbol

Wir stellen die beiden Poole mit dem Yin-Yang Symbol dar. Das Wissen über die Kreisläufe stammt von den Taoisten. Das Symbol verkörpert die beiden wichtigsten Poole in unserer Welt: Das Männliche und das Weibliche im Gleichgewicht. Die beiden Poole bedingen sich.


Vertrauen ist dem Yang Pool, dem männlichen Pool zugeordnet. Warum ist das so? Weil Vertrauen etwas aktives ist, etwas was ich TUN muss. Vertrauen ist ein aktiver Prozess. Ich schenke jemandem mein Vertrauen.



Ist dann der Gegenpool von Vertrauen Misstrauen? Auf den Ersten Blick können wir das so sehen.


Die Frage ist, was steht den hinter Vertrauen und Misstrauen. Misstrauen ist dem Yin Pool, dem Weiblichen zugeordnet. Das bedeutet es hat mit SEIN zu tun. Wir sind im Misstrauen. Dazu braucht es keine Aktivität, es ist ein Zustand.


Hinter Misstrauen steht letztendlich Angst. Angst vor Verletzung, Angst vor Blossstellung, Angst vor der eigenen Unzulänglichkeit. Angst hat auf den Menschen eine "engmachende" Wirkung. Das sagt ja auch unsere Sprache. "Es hat sich in mir alles zusammengezogen." Angst macht uns Menschen klein, der Blick verengt sich. Angst führt dazu, dass wir uns stillhalten und uns nicht bewegen. Jede Bewegung könnte schmerzhaft und gefährlich sein. Weniger Bewegung führt letztlich zum Stillstand.


Hinter Vertrauen auf der anderen Seite steht die Liebe. Die Liebe zum Leben, zu uns selber und zu anderen. Liebe wiederum macht uns weit, wir könnten fliegen. Auch hier beschreibt unsere Sprache das Gefühl sehr schön: "Schmetterlinge im Bauch" "ich fühle mich leicht und frei". Wenn ich liebe, vertraue ich also. Die Frage "Vertraue ich auch mir selbst" ist demzufolge eng mit Selbstliebe gekoppelt.

  • Wie ist das denn mit dem Selbstvertrauen genau bei dir?

  • Vertraust du dir?

  • Auf deine wunderbaren Fähigkeiten?

  • Auf deine Gaben?


Selbstvertrauen

Säuglinge vertrauen von Natur aus. Defacto sind Säuglinge mit Selbstvertrauen ausgestattet. Erst in der frühkindlichen Entwicklung, meist nach einigen Wochen beginnen die Babys zu fremdeln, sie haben gelernt zu unterscheiden. In der ersten Phase wird alles und jeder angelächelt, egal woher der Mensch kommt, was er tut, was er besitzt oder wie er sich zeigt. Diese erste Phase im Leben ist sehr zentral. Das Kleinkind vertraut und wenn es schlecht ausgeht muss es erst mal mit der Verletzung umgehen können. Man könnte dieses Selbstvertrauen auch Ur-Vertrauen nennen. In der Entwicklung eines Kindes kommt der Tag, an dem es feststellen muss, dass es letztlich niemandem trauen kann, ausser sich selbst. Sogar die Eltern flunkern oder erzählen nicht die ganze Wahrheit. Auf das neugierige Nachfragen des Kindes kommen Sätze wie: "Dazu bist du noch zu klein" oder "ich erkläre es dir später". Kennst du solche Sätze aus deiner Kindheit? Und irgendwann merkst du, dass es gar keine Antworten auf deine Fragen gibt, weil die Eltern keine Antworten haben.


Die Frage ist also: Wie kannst du dir vertrauen? Die Geschichte hat immer wieder gezeigt: Dem Menschen kann alles genommen werden, ob durch Ausseneinwirkung oder durch eigenes Verschulden spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Menschen können weggesperrt werden, sie können ausgegrenzt, klein gemacht und körperlich angegriffen werden. Aber es gibt eine Sache, die kann dem Menschen nicht genommen werden. Sein "Präsent sein", sein "da sein".


Letztlich ist das die Quelle der Kraft des Menschen: Sein SEIN.


Für mich ist Nelson Mandela ein perfektes Beispiel, eines Menschen der in seinem SEIN war. Es hat ihn so stark gemacht, dass er ohne verbitterung und ungebrochen seine Inhaftierung überlebte. Wie ist es möglich nach 28 Jahren in einer Minizelle auf Robben Island folgendes zu verkünden: Während dieser langen, einsamen Jahre wurde aus meinem Hunger nach Freiheit für mein eigenes Volk der Hunger nach Freiheit aller Völker, ob weiß oder schwarz. […] Ein Mensch, der einem anderen die Freiheit raubt, ist ein Gefangener des Hasses.[…] Der Unterdrückte und der Unterdrücker sind gleichermaßen ihrer Menschlichkeit beraubt. Als ich das Gefängnis verließ, war es meine Aufgabe, beide, den Unterdrücker und den Unterdrückten zu befreien. Um frei zu sein genügt es nicht, einfach nur die Ketten abzuwerfen, sondern man muss so leben, dass man die Freiheit des anderen respektiert und fördert.“ (Quelle: Wikipedia)


Wenn Angst also klein macht, zusammen zieht, anspannt, könnte es dann sein, dass entspannte Menschen weniger Angst haben? Kann es dann sein, dass Menschen, die entspannt sind eher vertrauen? Sich selbst und anderen? Kann es sein, dass Menschen die entspannt sind mehr im SEIN sind? in Ihrer eigenen "Selbstverständlichkeit?"


Mit dieser Erkenntnis schliesst sich der Kreislauf. SEIN ist dem weiblichen Pool zugeordnet in unserer polaren Welt. Die Frauen sind es, die das Leben weiter geben, die uns nähren. Sie gebären die Kinder, sie nähren die Kinder sie SIND DA. Kennst du das Bild? Eine Frau sitzt da, in inniger Verbundenheit mit Ihrem Säugling, gibt ihm die Brust und die Welt rundherum steht still? Es ist wie eine Welt in einem Kokon in diesem Augenblick. Unsere Sprache anerkennt diese nährenden Qualitäten des Weiblichen. Wir sprechen von Mutter Erde.


  • Was kannst du tun, um das Weibliche in dir zu nähren?

  • Was kannst du konkret in deinen Alltag einbauen um weniger gehetzt zu sein?

  • Was denktst du würde dir ganz persönlich helfen, dich zu entspannen?



Unser Hirn und Vertrauen

Zum Schluss möchte ich einige Gedanken zum Thema unser Hirn und das Vertrauen teilen.

Dazu zunächst ein Bild, an welchem ich gerne erläutern möchte, wie vertrauen entsteht.

3Bein-Hocker

Es sind drei Ressourcen, auf die der Mensch baut. Als einfache Metapher kann ich mir einen Hocker vorstellen der auf drei Beinen steht.


Diese drei Beine sind:

1. Der Mensch vertraut in seine eigene Kompetenz.


2. Der Mensch findet als soziales Wesen andere Menschen die ihn unterstützen.


3. Die dritte Ressource ist sein Glaube an etwas Grösseres, Schützendes. Egal wie wir es nennen wollen, es ist der innere Glaube daran, dass es gut kommt.




Was wir bereits vorher beim Thema Selbstvertrauen erkannt haben lässt sich Angst im Hirn messen. Unser Hirn hat kein Zentrum für Vertrauen, sehr wohl aber ein Zentrum der Angst. Wir nennen dieses Angst-Zentrum Amygdala. Angst ist auch gar nicht zu bewerten, oder etwas schlechtes. Ohne die Angst und die damit verbundenen Reflexe wären wir schon lange ausgestorben. Situativ schützt uns die Angst und bringt uns zum Handeln. Die Frage ist nur, wann ist sie uns wirklich dienlich und wann eher störend.


Seit ca. 2013 ist wissenschaftlich belegt, dass unser Hirn elastisch ist wie ein Muskel. Alles was wir erleben, wird verankert und alles im Hirn ist elastisch. Das ist eine sehr gute Nachricht, weil es bedeutet, dass gespeicherte Erfahrungen und Erlebnisse nicht auf immer festgebrannt sind. Neue Erfahrungen können neue Neurologische Netzwerke bilden. Es geht also um die Erfahrungen, die wir machen. Jede Erfahrung, die wir durchleben baut neue neuronale Netze in unserem Hirn. Und weil das Hirn wie ein Muskel funktioniert, werden die Regionen im Hirn gestärkt, die wir füttern.


  • Mit was fütterst du dein Hirn?


So gesehen, machen wir uns unsere Realität tatsächlich selbst. Wir sehen die Welt aufgrund unserer gemachten Erfahrungen.


Wie geschrieben vertraut der Säugling in seine Kompetenzen, bekommt Zuspruch von seiner Umwelt (jöö der kann ja schon die Hand öffnen) und ein Säugling kennt noch kein Scheitern und kein Bewerten. Alle drei Ressourcen sind genährt und es geht dem Säugling gut. Das Blatt beginnt sich in dem Augenblick zu wenden, wenn andere Menschen ihre Erwartungen erfüllt sehen möchten. "Ich erwarte von dir schon, dass du eine gute Prüfung hinlegst und mit Bravour bestehst. Alles unter einer 5 würde mich enttäuschen."


Potentialkreis

Der Tag, an dem wir an einer Aufgabe scheitern, kommt meist früher als uns lieb ist, und ein erster Verlust in die eigenen Kompetenzen findet statt. Nicht schlimm genug, werden wir oft dafür auch noch bewertet. Wir machen also unangenehme Erfahrungen und stärken damit die neuronalen Verbindungen im Hirn. Diese Verbindungen im Hirn geben uns ein Bild, wie die Welt ist. Wir alle haben solche Bilder in uns von unseren Weltbild-prägern aus frühester Kindheit. Wir lernen z.B. wie Mann / Frau ist anhand dem was uns die Eltern vorleben.


Negative innere Bilder schmälern unser Potential und wir passen unser Verhalten an mit dem Ziel, von meinen Weltbildprägern wieder akzeptiert zu sein, ok zu sein.


Das Vertrauen in meine Fähigkeiten geht sukzessive verloren. Ich werde feststellen, dass ich es den anderen Menschen nie recht machen kann und verliere dann auch das Vertrauen in den anderen. Steigert sich die Verunsicherung durch die laufenden Erfahrungen landen wir letztlich in einer Welt ohne Halt und ohne Führung. Spätestens in diesen Zustand sind alle drei Ressourcen, aus denen der Mensch vertrauen bekommt, angeschlagen.


Vertrauen hängt also nicht vom Hirn ab, sondern von den eigenen Erfahrungen, welche wir im Leben machen. Gemachte Erfahrungen sind gemachte Erfahrungen. Wir können Sie nicht rückgängig machen, aber wir können die Betrachtungsweise darauf verändern. Mit einer neuen Betrachtungsweise können die gemachten Erfahrungen neu bewertet werden. Dabei geht es nicht darum Dinge schönzureden. Es geht darum in jeder Erfahrung auch die andere Seite zu sehen. Und es gibt in jeder Erfahrung eine andere Seite, sonst würde das Polaritätsgesetz nicht stimmen.


Damit wir etwas besser verstehen, was im Hirn vorgeht, müssen wir erst ein Grundprinzip verstehen. Unser Hirn will möglichst viel Energie sparen. Es wünscht sich Situationen, in denen alles einfach zusammen passt, ohne Anstrengung. Wir nennen das dann Schlaraffenland, Himmelreich oder Paradies. Vielleicht erinnerst du dich an eine Situation in deinem Leben, in der alles gepasst hat, in der du die Zeit vergessen hast und einfach nur da warst. Deine innere und deine äussere Welt passten irgendwie zusammen. Die Fachsprache nennt dies Kohärenz. Wir brauchen in diesem Zustand die geringste Menge an Energie.


Wir können im Laufe des Lebens lernen, unpassende Zustände (die Fachsprache nennt das Inkohärenz) passender zu machen. Und immer wenn wir das schaffen, werden im Mittelhirn die Belohnungszentren aktiviert. Diese senden Botenstoffe aus, welche über verschiedene chemische Prozesse eine Art "Dünger" für das Hirn produzieren.


Konkret heisst das: Immer dann, wenn ich ein Problem habe kommt es zu einer Irritation, es wir unpassend (inkohärent). Dann finde ich eine Lösung. Die Lösung die ich gefunden habe macht den Zustand im Hirn wieder passender (kohärenter). Dies setzt Energie frei und es werden Botenstoffe im Hirn ausgeschüttet, welche einen Dünger-Cocktail produzieren der genau diese Schaltungen stabilisiert, festigt, ausbaut und verstärkt, die ich zur Lösung des Problems benutzt habe. Dieser Vorgang macht sichtbar, dass unser Hirn in vielen Teilen ein sich selbst organisierendes Organ ist. Mit jedem mal, wo ich ein Problem löse und die Erfahrung mache, dass ich es lösen konnte, verstärkt sich das Vertrauen.

Das Fazit dieses Kreislaufs im Hinblick: Je mehr ich vertrauen kann, desto mehr werde ich vertrauen können.


Wie kann ich nun aus einer "negativen" Erfahrung etwas Positives machen, welches mich letztlich stärkt? Wie kann ich diese Schwelle überschreiten. Je traumatischer die Erfahrung war, desto schwieriger ist es sich wieder an die Schwelle heran zu wagen. Es gibt Menschen die "buddeln" sich ein oder fallen in eine Depression nach einem traumatischen Erlebnis. Es gibt daher kein Patentrezept wie aus eine solchen Situation ein Schritt gemacht werden kann. Es ist so individuell wie der Mensch selbst und manchmal ist eine Begleitung mit ganz winzigen Schritten nötig um das Vertrauen wieder zurück zu gewinnen.


Ein schönes Beispiel aus meinem Leben erklärt wunderbar, wie ein erster Schritt gelingen könnte: In meinen jungen Jahren bin ich im Winter einmal beim Skifahren neben die Piste gekommen, buchstäblich im Tiefschnee stecken geblieben und hatte seit dieser Erfahrung das innere Bild, dass ich mich nicht im Tiefschnee bewegen kann. Und so war es denn auch. Jedes Mal wenn ich auch nur ein paar Meter neben der Piste unterwegs war, sah ich mich Skier zusammensuchen und mich von Schneeresten befreien. Also mied ich den Tiefschnee und stärkte so dass innere Bild, dass ich nicht Skifahren kann neben der Piste. Da nützt es nichts, wenn ich es einfach wieder versuche, sondern idealerweise begleitet mich jemand.


Bei mir war das ein Arbeitskollege der zu mir sagte: "Komm doch mal mit uns zu einem Freeride Weekend". Ich habe mich "mitschleppen" lassen. Ich ging mit dem inneren Bild: Geht ja so oder so nicht aber ich gehe mal mit. Kann ja immer noch im Hotel bleiben. Und irgendwie hatte ich aber auch das Gefühl, dass es vielleicht doch Freude machen könnte und ich die Angst verlieren würde.


Zögerlich wagte ich erste Versuche, unterstützt durch die Hilfe eines erfahrenen Bergführers. Der erste Schritt war ganz klein und ich versuchte mal ein paar Bögen zu machen. Die innere Freude, dass ich nicht gleich in der ersten Kurve einen Abflug machte war sehr gross. Und ich bekam die Unterstützung des Bergführer und der Kollegen. Und so wagte ich immer ein wenig mehr. Heute habe ich die Ausbildung begonnen, um andere Menschen im Schnee zu begleiten. Ich habe also die drei Ressourcen gestärkt: Ich habe gelernt, in die eigene Kompetenz zu vertrauen, ich habe den Zuspruch von Kollegen und dem Bergführer bekommen und mich so immer weiter entwickeln können. Und ich habe immerr darauf vertraut, dass ich mich unfallfrei im Schnee bewegen kann.


Man doing Downlill Skiing


Kann ich also mein Vertrauen nur über die eigene Erfahrung verstärken?

All die "Denk-an-was-schönes-Kurse" und "Lass-Deiner-Seele-Flügel-Wachsen-Seminare" sind zwar schön, aber führen nicht zum Ziel. Letztendlich ist es die eigene Erfahrung die man machen muss. Manchmal hilft es, wenn man sich selber Mut macht und alleine in eine solche Erfahrungs-Situation geht. Oft ist es hilfreicher wenn man eine Person findet, die einem dabei unterstützt in eine solche Situation hinein zu gehen. Es ist viel effizienter in Begleitung mit anderen Menschen wieder Vertrauen zurück zu gewinnen.


Stress und Angst im Hirn sind also messbar und zeigen sich in der Amygdala. Im Gegenzug hat Vertrauen keine eindeutige Hirnregion, in der wir das messen könnten. Vertrauen kann nur durch Erfahrungen gestärkt werden. Je mehr wir die drei Ressourcen stärken, desto stärker wird das Vertrauen. Es ist wie eine innere Waage. Weniger Stress bedeutet mehr Vertrauen.


Je mehr ich vertrauen kann, desto weniger Energie brauche ich im Hirn, desto besser passt alles, umso glücklicher gehe ich durchs Leben.



Warum Vertrauen in dieser Zeit ein rares Gut geworden ist

In Zeiten in denen der Mensch sich bewertet an dem was er hat und was er darstellt, ist das Wesen des Menschen, sein SEIN in den Hintergrund getreten. Wir messen uns an den Dingen die wir haben. Missgunst und Eifersucht sind im Alltag überall präsent. Wir laufen ständig Gefahr, vom anderen zum Objekt gemacht zu werden. Kinder werden z.B. schon zum Objekt der Erwartungen und Wünsche der Eltern. In der Schule werden Sie Objekt der Belehrungen und der Bewertungen und der Massnahmen. Wer in dieser Kultur aufwächst hat es sehr schwer die Erfahrungen zu machen, dass schön ist mit anderen Menschen zusammen Probleme zu lösen und zu erfahren, dass man zusammen eine Stärke entwickeln kann, die man alleine gar nicht besitzt. Man hat schnell die Situation wo einer dem anderen nicht mehr vertraut, wo man alles unter Kontrolle bringen will und wo man selbst versuchen muss sich auf Kosten des anderen zu behaupten. Es ist aus meiner Sicht sehr bedauerlich, dass dies gerade in unserem Kulturkreis so stark ausgeprägt ist und sich rasend schnell ausbreitet. Das Ergebnis daraus ist, dass die Angst der Menschen immer grösser wird und dass die Menschen immer kranker werden.... und glücklich sind sie auch nicht mehr.


Wir haben vergessen dass wir eine Menschenfamilie sind, dass wir aus einer Quelle stammen, dass wir alle miteinander verbunden sind und dass die Unterschiede zwischen uns Menschen gar nicht so gross sind.


In einer Gesellschaft in der Leistung der Massstab ist, bleibt wenig Raum für anderes.


Die alten östlichen Kulturen wussten, dass es eine Balance zwischen Tun und Sein geben muss, damit das Leben in Harmonie verläuft. Die Hirnforschung kommt langsam aber sicher zu denselben Resultaten und erkennt, dass die Summe der Erfahrungen unser Vertrauen verändert. Wir lernen gerade dass es gut wäre für uns, unsere Amygdala zu entlasten und wir wissen, dass weniger Angst sich die Waage hält zu mehr Vertrauen.



Zum Abschluss ein paar Fragen auf den Weg:

  • Kenne ich Missgunst in meinem Leben?

  • Belehre ich andere?

  • Massregle ich andere?

  • Lebe ich eine Kultur der Toleranz?

  • Motiviere ich andere Menschen liebevoll einen Schritt zu tun?

  • Kenne ich meine Kompetenzen?

  • Nehme ich mir Zeit zum SEIN? Oder ist mein Leben gehetzt?

  • Tue ich das was ich liebe?


Ich wünsche dir das Vertrauen in das Vertrauen nie zu verlieren.

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